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Channel: Rechtsanwältin Stefanie Hagendorff » Reisekosten und fliegender Gerichtsstand im Internet
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BGH: #Reisekosten grunds. auch bei weit entferntem Gericht erstattungsfähig #fliegender Gerichtsstand

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Leider hat in 3 jetzt erst veröffentlichten Entscheidungen der Bundesgerichtshof bereits am 12.09.2013 entschieden, dass ein die Kostenerstattung gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO ausschließender Rechtsmißbrauch nicht allein darin liegt, dass der im Ausland ansässige Kläger (wegen Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing) das ihm gemäß § 35 ZPO zustehende Wahlrecht dahin ausübt, dass er weder am Gerichtsstand des Beklagten noch am Sitz seines Prozessbevollmächtigten klagt, sondern bei einem dritten, sowohl vom Sitz des klägerischen Prozessbevollmächtigten als auch vom Wohnsitz des Beklagten weit entfernten Gerichtsort (BGH, Beschlüsse vom 12.09.2013 – I ZB 39/13, I ZB 40/13 und I ZB 42 13). Während das Landgericht München I in 2013 die Reisekosten des Kieler Klägeranwaltes für Flugreisen nach München für die Terminwahrnehmung als unverhältismäßige, nicht notwendige Kosten abgelehnt hatte, da hier diese Kosten mißbräuchlich veranlasst worden seien (z.B. hätte ja auch ein Münchener Terminvertreter unterbevollmächtigt werden können) und so diesem Forum-Shopping einiger Massenabmahner im Falle von beklagten Verbrauchern wenigstens bei Klagen gegenüber Privaten kostenmäßig in die Schranken verweisen wollte, indem zumindest die unverhältnismäßig hohen Reisekosten dann nicht als erstattungsfähig festgesetzt wurden, hat der BGH diese Entscheidungen also als rechtsfehlerhaft aufgehoben und zur neuen Entscheidung zurückverwiesen. Ein Rechtsmißbrauch käme nur bei sachfremden Erwägungen der Gerichtsstandswahl in Betracht, für die das Beschwerdegericht bislang keine Feststellungen getroffen hatte.
Zwar betrifft diese Entscheidungen  im Falle von Filesharing-Klagen gegenüber Verbrauchern und sonstigen urheberrechtlichen Klagen gegenüber Privaten nur Altfälle, nachdem § 104a ZPO den fliegenden Gerichtsstand in diesem Bereich inzwischen abgeschafft hat. Aber in allen übrigen Fällen des fliegenden Gerichtsstandes nach § 32 ZPO wird damit erneut das Forum-Shopping der klagenden Rechteinhaber als legitim vom BGH verteidigt. Während das AG München und Landgericht München I in diesen Fällen in der weit entfernten Gerichtsstandswahl einen Rechtsmißbrauch sah (siehe Bericht), hat der BGH dem nun widersprochen und die Rechtsstreite zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen, da er meint, die optimale Interessenvertretung kann wegen einer für den Kläger günstigeren Rechtssprechung am gewählten Gericht nicht grundsätzlich ohne weitere besondere Gründe als mißbräuchlich angesehen werden. Anderes gelte nur, wenn die ferne Gerichtsstandswahl sachfremden Erwägungen zugrundeliegt und daher solle das Landgericht hierzu erneut Feststellungen treffen und erneut entscheiden.
Glücklicherweise ist diese für 3 Altfälle ergangene Entscheidung für urheberrechtliche Klagen gegenüber Verbrauchern inzwischen aufgrund der Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes bei urheberrechtlichen Klagen gegen Privatleute nach § 104a UrhG nicht mehr relevant. Merkwürdigerweise hat der Bundesgerichtshof die im September 2013 bereits vom Bundestag beschlossenen Gesetzentwurf gegen unseriöse Geschäftsmethoden, der die Neuregelung des § 104a UrhG enthält, als Argument gegen eine stärkere Beschränkung des Forum-Shoppings beim fliegenden Gerichtsstand gegenüber Privaten und Kleinunternehmern genommen, indem er dazu ausführt:

„…Ebenso ist es grundsätzlich nicht rechtsmissbräuchlich, sondern entspreicht seinem berechtigten Interesse an einer erfolgreichen Rechtsdurchsetzung, wenn der Kläger aus prozesstaktischen Erwägungen einen Gerichtsstand wählt, an dem nach Einschätzung seines Prozessbevollmächtigten für sein konkretes Begehren voraussichtlich die besten Erfolgsausichten bestehen (vgl. OLG Hamburg, NJW-RR 2007, 763, 764; Zöller/Vollkommer aaO § 35 Rn. 4). Dass auch der Gesetzgeber eine Gerichtsstandwahl bei dem für den Kläger günstigsten Gericht nicht bereits für sich genommen als rechtsmissbräuchlich ansieht, ergibt sich daraus, dass er – allein für urheberrechtliche Klagen gegen Verbraucher – plant, durch die Einführung eines § 104a UrhG den durch §§ 32, 25 ZPO eröffneten sogenannten „fliegenden Gerichtsstand“ abzuschaffen (vgl. Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken, BT-Drucks. 17/14216, Seite 9).
Da der nach diesen Gesichtspunkten vom Kläger ausgewählte Gerichtsstand naturgemäß auch ein Ort sein kann, der weder mit dem Gerichtsstand des Beklagten noch mit dem des Sitzes seines Prozessbevollmächtigten übereinstimmt, sondern unter Umständen weit von diesen entfernt liegt, ist dieser Umstand für sich allein nich geeignet, eine rechtsmißbräuchlich Ausübung des Wahlrechts gemäß § 35 ZPO anzunehmen. Es fehlt auch im Übrigen an Gesichtspunkten, die für einen Rechtsmißbrauch sprechen. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise ist regelmäßig davon auszugehen, dass die klagende Partei ihre Auswahlentscheidung emäß § 35 ZPO an ihren berechtigten Interessen ausrichtet. Die ausnahmsweise Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Vorgehens bedarf der Feststellung von sachfremden Erwägungen, die nach allgemeinen Grundsätzen vom Prozessgegner konkret dargelegt werden müssen (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl. § 8 Rn. 4.2.5). Im Streitfall sind solche Umstände vom Beschwerdegericht nicht festgestellt worden.“

Da in den Fällen jeweils gerade Filesharing-Klagen und damit urheberrechliche Klagen gegen Verbraucher, für die als drängenstes Problem gerade der § 104a ZPO wegen der völlig unverhältnismäßigen Abmahn- und Klagepraxis, die es praktisch schwer bis gar nicht für Verbraucher möglich machte, sich gegen die Schadenersatz- und Kostenerstattungsansprüche der Rechteinhaber zu wehren, auch wenn sie nicht Täter waren, hat mit diesem Argumentationskniff der Senat leider gerade ins Umgekehrte gemünst und damit völlig ausgeblendet, dass es wegen der völlig unverhältnismäßigen Prozesskostenrisikos gerade die offensichtliche Absicht der ausländischen Pornohersteller und seines Prozessbevollmächtigten war, eine Rechtsverteidigung praktisch unmöglich zu machen.
Desweiteren hat der Senat leider gar nicht angesprochen, ob hier nicht wenigstens wegen der unverhältnismäßigen Kosten eine Einschaltung eines Terminvertreters in München geboten gewesen wäre. Dies hatte der Beklagte zumindest im Fall des I ZB 42/13 auch vorgetragen, denn dort war es so, dass der abgemahnte Vater vortrug, dass der Sohn eingeräumt hatte, ein Musikalbum über eine Tauschbörse veröffentlicht zu haben, jedoch der Pornofilm hier nicht erkennbar anscheinend dabei war und daher nicht bewusst heruntergeladen und über das dezentrale Netzwerk veröffentlicht hatte. Daraufhin hatte der Prozessbevollmächtigte erwidert, das könne sein, sei aber eine höchst unwahrscheinliche Schutzbehauptung und mahnte nun den minderjährigen Sohn ab und verkündete ihm den Streit. Diese Art der Prozessführung des Klägers und seines Anwalts hielt der Beklagte zu Recht für eine Art Nötigung und auch vor dem Hintergrund des Jugendschutzes für sehr bedenklich. Auch vermischt hier der BGH die Frage der zulässigkeit des fernen Gerichts nach § 32 ZPO für die Wahl des für den Kläger nach seiner bereits ergangenen Rechtssprechung günstigeste Gericht, sprich das Forum-Shopping als optimale Gerichtsstandswahl aus Sicht des Klägers, denn die Zulassung des fliegenden Gerichtsstandes auch in solchen Fällen nach dem vor Inkraftreten des neuen § 104a ZPO geltenden Rechtslage ist ja das eine, aber die Frage, ob der Prozessbevollmächtigte aus Kiel dann für die erste mündliche Verhandlung unter diesen Umständen persönlich nach München reisen muß und dies als notwendige Kosten der Prozessführung erstattungsfähig sein muß, ist eine andere Frage. Die Art der Prozessführung mit Beweisangeboten, die ausschließlich ausländische Zeugen darstellen, Abmahnungen und Streitverkündigungen gegen den Jugendlichen, die gerade in den Filesharing-Fällen in Familien nach der Erfahrung häufig die arglosen Täter sind und gegenüber denen eine anwaltliche persönliche Abmahnung wohl ein zu scharfes Schwert ist, da sie nach dem Minderjährigenrecht (§§ 107, 108 BGB) gar keine wirksame strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben können, sprechen dafür, in diesen Fällen sachfremde Erwägungen anzunehmen. Aber hierzu wird nunmehr wohl das Landgericht als Beschwerdegericht erneut Feststellungen treffen und die Parteien dazu Gelegenheit haben, vorzutragen. Da die Beschlüsse erst in dieser Woche zugestellt wurden, werden die Beklagten in diesen Fällen daher nunmehr wohl nochmal vor dem Landgericht München I Gelegenheit zum Vortrag erhalten. Da die Latte für eine Annahme des Rechtsmißbrauch leider nun wieder vom BGH höher gelegt wurde und er die typisierende Betrachtung als maßgebend hervorhebt wird dies jedoch schwer werden.

 



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